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1933 vereinte Kreuz und Hakenkreuz

Veröffentlicht am 16.05.2013 in Ortsverein

Im Vorfeld zur Volksbefragung 1933 hat sich die Kirche ausdrücklich für den Nationalsozialismus ausgesprochen.

Nach anfänglichen Warnungen folgte die Kirche der Linie der NS-Regierung – Gottesdienste wurde feste Bestandteile der Nazi-Feierlichkeiten

Bad Waldsee 1933 war das Leben der Menschen in Bad Waldsee stark von der Kirche und ihren Festtagen geprägt. Religion spielte im Alltag eine wichtige Rolle. Da liegt es nahe, die Frage zu stellen, wie die Kirche zum aufkommenden Nationalsozialismus stand, umgekehrt aber auch, wie die Nationalsozialisten mit der Kirche umgingen. In seinem Text „Das Jahr 1933: Auch Waldsee wird braun“, erschienen 1983 und in gebundener Form im Buch „Bad Waldsee – Zeugnisse aus Zeit und Zeitung“ ein Jahr später, hat sich Emil Kaphegyi bereits zum 50. Jahrestag der Reichstagswahl von 1933 mit den braunen Anfängen der Stadt Waldsee beschäftigt. Hierbei hat er sich ebenfalls die Frage nach der Rolle von Kirche und Religion gestellt.
Wie bereits berichtet, konnten die Waldseer am 1. Mai 1933 bei einem Feldgottesdienst auf der Bleiche Kreuz und Hakenkreuzflagge nebeneinander stehen sehen. „Selbstverständlich war das damals noch nicht“, sagt Emil Kaphegyi im Gespräch mit der SZ. Vor 33 hatte die Deutsche Bischofskonferenz noch ausdrücklich vor dem Nationalsozialismus gewarnt. Außerdem war das Zentrum als katholische Partei ein natürlicher Gegner des Nationalsozialismus in der Politik.
„Am 28. März 1933 kam dann allerdings so gut wie über Nacht die Wende im Verhältnis der deutschen Bischöfe zu der neuen Regierung“, sagt Kaphegyi und zitiert aus „Formen des Widerstandes im Südwesten“, einem Buch, das von der Landeszentrale für politische Bildung herausgegeben wurde. Im März 1933 widerriefen die deutschen Bischöfe im Rahmen einer Synode ihre früheren Warnungen mit Verweis auf den Römerbrief in der Bibel, in dem unter anderem geschrieben steht, dass der Obrigkeit zu gehorchen ist. Die Bischöfe riefen auf zur „Treue gegen die rechtmäßige Obrigkeit und zur gewissenhaften Erfüllung der staatsbürgerlichen Pflichten

Auch Johannes Baptista Sproll, Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, der später für seinen Widerstand gegen die NS-Diktatur bekannt werden sollte, konnte sich zu Beginn im Jahr 1933 den Entwicklungen nicht entziehen. Laut Kaphegyi sprach er am 5. Mai 1933 seine uneingeschränkte Anerkennung gegenüber dem, was der neue Staat gegen Bolschewismus, Marxismus, Schund- und Schmutzliteratur, Gottlosigkeit und Freidenkertum getan habe, aus. „Es gab eine gewisse Nähe in den Ansichten der katholischen Kirche und der Nationalsozialisten“, sagt Kaphegyi. „Zum Beispiel den Kommunismus als gemeinsamer Feind.“
In Bad Waldsee habe man die Haltung, die die Kirche gegenüber dem Nationalsozialismus einnahm, als Bestätigung gesehen. Wie am ersten Mai geschehen, sollten die Bad Waldseer die Hakenkreuzfahnen noch öfters gemeinsam mit dem christlichen Kreuz erleben. Laut Kaphegyi wurden Gott und der Führer wie selbstverständlich in einem Atemzug genannt. So hieß beispielsweise die Devise im Gemeinderat: Mit Gott und dem Führer. Wenn die Hitlerjugend oder der Bund Deutscher Mädel ihr Sonntagsprogramm in der Presse ankündigten habe der Hinweis auf den gemeinsamen Kirchgang nie gefehlt. Und an Sonnwend beginnt das Fest der Jugend wie selbstverständlich mit einem morgendlichen Gottesdienst.
„In Bad Waldsee waren Kreuz und Hakenkreuz am Anfang sehr nah beieinander. Zu jeder NS-Veranstaltung gehörte ein Gottesdienst“, sagt Kaphegyi. In seinem Artikel beschreibt er das Ernte-Dank-Fest am 30. September 1933 in Bad Waldsee. Vom Bahnhofsplatz habe es einen riesigen Festzug zum Feldgottesdienst auf die Bleiche gegeben. In der Festpredigt habe dann der Kaplan die Zusammenarbeit der Kirche mit dem Staat betont: Die Kirche sei bereit, „mit ihrem ganzen Einfluss das ehrliche Wollen des deutschen Volkes zu unterstützen“. Nach dem Festzug mit dem Erntewagen am Nachmittag sei die Stadthalle zum volksdeutschen Abend so brechend voll wie nie zuvor gewesen.
Auch bei einem großen Fest zur Feier des Handwerks zwei Wochen später spielen Feldgottesdienst und Predigt neben den politischen Reden und einem großen Umzug eine wichtige Rolle. „Wie wir sehen, ist das Kreuz für die Nazis in unserer katholischen Gegend im Jahr 1933 ein wichtiges, nicht zu umgehendes Zeichen. Es bekommt in ihrem Festkalender einen wichtigen Platz“, schreibt Kaphegyi in seinem Artikel. Im Verlauf des Jahres werden Kreuz und Hakenkreuz sogar eindeutig zueinander in Beziehung gesetzt und zwar von einem Domvikar auf dem deutschen Katholikentag im November. Die Bad Waldseer lesen darüber im Tagblatt: „Das Hakenkreuz ist das Symbol der natürlichen Werte, das Kreuz das Symbol der übernatürlichen Werte. (…) Wir Katholiken sehen im Hakenkreuz das Sinnbild der Gerechtigkeit, des Heldentums und der Sittenreinheit.“
Auch im Vorfeld der Volksbefragung, die Hitler am 12. November durchführen lässt, um die These von der Volksgemeinschaft, der Einheit und Geschlossenheit von Volk und Regierung dem Ausland gegenüber zu untermauern, spielt die Kirche eine aktive Rolle. So rief beispielsweise auch Bischof Sproll von Rottenburg öffentlich dazu auf, für Hitler mit einem „Ja“ zu stimmen. „Natürlich war Sproll fünf bis sechs Jahre später einer der ganz wenigen Bischöfe in Deutschland, die schnell verstanden haben, wohin es mit dem Nationalsozialismus ging. Und er hat später auch viel deswegen erleiden müssen“, sagt Kaphegyi. „Aber 1933, ganz am Anfang, hat er seine Schäfchen nun mal dazu aufgefordert, für Hitler zu stimmen.“ Bei der nächsten Volksabstimmung habe er sich dann gegen Hitler gestellt.
Wie sehr das Bekenntnis der Kirche zur neuen Regierung die Volksabstimmung beeinflusste, lässt sich heute natürlich nicht mehr sagen. Das Ergebnis der Abstimmung spricht jedoch Bände: 98,1 Prozent der Waldseer (2351 Stimmen) stimmten für Hitler. Nur 1,6 Prozent (40 Stimmen) gegen ihn. Im Waldseer Tagblatt wurde explizit auf das Wahlverhalten der Katholiken hingewiesen. „Selbst bei einem flüchtigen Überblick springt die Tatsache in die Augen, dass die Wahlkreise mit einer katholischen Bevölkerungsmehrheit (…) in noch geschlossenerer Weise als die übrigen Volkskreise für die NSDAP gestimmt haben“, schrieb das Tagblatt. Und weiter: „Dieses Ergebnis erscheint wichtig genug, um festgehalten zu werden, beweist es doch, dass der katholische Bevölkerungsteil vertrauensvoll die Versöhnungshand angenommen hat, die Hitler ihm vor den Wahlen geboten hat.“
„Die Rolle der Kirche lässt sich sehr gut mit einem Zitat von Konrad Adenauer zusammenfassen“, sagt Kaphegyi. Das Zitat hat er in dem Buch der Landeszentrale für politische Bildung gefunden. Bei einem Zusammentreffen von Adenauer und Papst Pius XII soll der Papst sich lobend zur Rolle der Bischöfe im Dritten Reich geäußert haben. Adenauer entgegnete daraufhin: Nach meiner Meinung trägt das deutsche Volk (und tragen auch die Bischöfe und der Klerus) eine große Schuld an den Vorgängen. (…) Richtig ist, dass nachher vielleicht nichts mehr zu machen war. Die Schuld liegt früher.“ „Früher“, meint Kaphegyi nachdenklich „ist 1933. Genau der Zeitraum, den ich untersucht habe.“
Von Melanie Braith