Suchen

Rede zum Antrag der SPD „Fortschreibung des Beschlusses zum Zukunftsprogramm Gesundheitsregion Oberschwaben“

Veröffentlicht am 14.01.2023 in Kreistagsfraktion

Am 31. Mai 2022 hat dieser Kreistag einen Beschluss zur Medizinstrategie mit erheblichen Auswirkungen auf die medizinische Versorgung von rund 300 000 Menschen gefällt. Die Beratungen dazu sind im Eilverfahren eines halben Jahres durchgezogen worden. Die einschneidendsten Auswirkungen hat dieser Beschluss auf die rund 80 000 Menschen im Raum Bad Waldsee – Aulendorf. Der Beschluss beinhaltet, dass ein funktionierendes und wirtschaftlich erfolgreich arbeitendes Krankenhaus in Bad Waldsee „geopfert“ worden ist, um andere Standorte der OSK zu sichern und die finanzielle Situation der OSK im gesamten zu verbessern.

Der Beschluss im Mai – daran muss erinnert werden – ist mit einer ziemlichen knappen Mehrheit gefällt worden. Wenn nur 8 Kreistagsmitglieder anders abgestimmt hätten, gäbe es jetzt eine ganz andere Situation. Dafür hätten nur 4 Mitglieder der CDU-Fraktion, 3 weitere Mitglieder der FW und 1 weiteres Mitglied der Grünen (oder der FDP) anders abstimmen müssen. Weil von der CDU-Fraktion nur wenige KT-Mitglieder für ein wirtschaftlich auch vertretbares, mögliches Dreistandortmodell gestimmt haben, trägt diese Fraktion - neben der FW-Fraktion - die Hauptverantwortung, wenn es zu einer  Schließung des Krankenhauses in Bad Waldsee kommen sollte.

Unabhängig davon, wie jemand hier abgestimmt hat, stehen jetzt alle Mitglieder des Kreistages in der Verpflichtung die negativen Auswirkungen des Beschlusses vor allem für die Bewohner der Region Bad Waldsee - Aulendorf so gering wie möglich zu halten.  

Was die Eckpunkte des Beschlusses angeht, so sind wir Realisten. Der Beschluss ist gefasst worden und die Umsetzung ist teils bereits erfolgt, teils ist sie in vollem Gange.

Es geht in diesem Stadium nicht mehr darum, den Beschluss vom Mai rückgängig zu machen. Es geht darum, im Lichte der eingetreten und bevorstehenden Veränderungen  und den bisherigen Erfahrungen bei der Umsetzung zu überprüfen, ob der Beschluss in einigen Komponenten nachgesteuert werden sollte. 7 Monate nach dem Beschluss – das ist in etwa gleichlang, wie der Beratungsprozess vor der Beschlussfassung - ist der richtige Zeitpunkt für eine solche Überprüfung gekommen.

Inzwischen habe sich etliche Komponenten, die dem Beschluss zu Grunde gelegen haben, markant geändert.

Der eindeutig fehlbesetzte frühere Geschäftsführer, der u.a. genau diese Veränderungen favorisiert hat und anfänglich sogar ohne Mitwirkung des Kreistages durchführen wollte, ist entlassen worden.

Es hat sich gezeigt, dass sich die Behandlungsfälle der Orthopädie nur teilweise transferieren lassen; es hat sich gezeigt, dass sich das so wertvolle Personal nicht einfach an einen anderen Standort verlagern lässt, und dass vom Personal einige die OSK ganz verlassen haben.

Es zeigt sich weiter, dass der notwendige Aufbau eines MVZ oder gar eines PVZ mit Schwierigkeiten verbunden ist. Das größte Problem im Raum Bad Waldsee Aulendorf ist und bleibt die stationäre Versorgung - vor allem im Bereich einfacher Fälle der Grundversorgung. 

Bei der Entscheidung im Mai haben Finanzfragen eine wichtige Rolle gespielt. Wie hoch darf ein Defizit sein, welches der Kreis zu tragen hat.

Im Laufe der Beratungen sind uns von der BAB alle möglichen Zahlen und Berechnungen für verschiedene Szenarien vorgelegt worden. In keiner dieser Szenarien und Papiere ist jemals von einem Fehlbetrag die Rede gewesen, der die 12 Mio.€ Marke überschritten hätte. 

Jetzt legt uns die OSK für diese Sitzung einen Wirtschaftsplan vor, der für 2023 von einem Fehlbetrag von 26 Mio. € ausgeht und für 2024 von 18 Mio. € und 2025 von 9 Mio. €. In drei Jahren Fehlbeträge von zusammen 53 Mio. €. Niemals hat das BAB-Institut in den Berechnungen auch nur angedeutet , dass es zu derartigen Verlusten kommen könnte. Verständlich, dass die Geschäftsführung, der Aufsichtsrat und die Verwaltung diese schockierenden Zahlen am liebsten vertraulich behandelt hätten. Sie mussten erst darauf hingewiesen werden, dass diese Zahlen – so unangenehm sie sind – nach der Gemeindehaushaltsverordnung des Landes (§1 Abs.3 Ziffer 8) veröffentlicht werden müssen.  

Die realen Zahlen haben sich also gänzlich anders entwickelt als vorhergesagt. Ja es stellt sich sogar die Frage, sind die hohen Fehlbeträge nicht erst gerade dadurch entstanden, dass der Beschluss so gefällt worden ist, wie gefällt worden ist. Haben die Kosten des Veränderungsprozesses diese riesigen Defizite erzeugt?

Haben sich also schon bisher erhebliche Verschiebungen gegenüber dem Zahlenwerk ergeben, welches uns im Frühjahr vorgelegt worden ist, so gibt es jetzt eine andere Entwicklung, welche bald alle Berechnungen obsolet machen wird. Alle Zahlen bisher sind berechnet worden auf der Grundlage wonach die Bezahlung der Krankenhausleistungen allein nach dem Fallpauschalensystem erfolgt. Jetzt stehen wir aber am „Vorabend einer Revolution im Krankenhaussektor“ – so der Bundesgesundheitsminister. Es ist erkannt worden, dass das Fallpauschalensystem  kein geeignetes Mittel der Krankenhausfinanzierung mehr sein darf. Die Kliniken sollen künftig nach drei Kriterien honoriert werden: Vorhalteleistungen, Versorgungsstufen und Leistungsgruppen und dabei Erlöse aus drei  Quellen erhalten: DRG’s, Vorhaltepauschalen und Pflegebudget.

Es handelt sich nicht um irgendwelche politischen Versprechen, sondern sehr reale Veränderungen, die unmittelbar bevorstehen. Bund und Länder arbeiten gemeinsam an einem Gesetzentwurf, der im Sommer fertig sein soll. Die Umsetzung soll dann ab den Jahren 2024 und 2025 erfolgen.

Die Kernfrage, die uns zu beschäftigen hat, ist, wie wird sich die Reform auf unserer Krankenhaussystem auswirken und vor allem bietet das neue System für den Raum Bad Waldsee Aulendorf neue Chancen, die negativen Auswirkungen unseres Beschlusses abzumildern oder sogar weitgehend zu kompensieren. Ja, ja, und nochmals ja - solche Chancen lassen sich eindeutig erkennen. 

Auch wenn noch nicht alle Aspekte bisher detailliert konkretisiert worden sind, so zeigt eine Analyse der Empfehlungen der Regierungskommission, dass sich für den Raum Bad Waldsee Aulendorf mit der Reform echte neue Perspektiven auftun können. Wenn die Chancen nur gesehen und genutzt werden. Leider erwähnt die Verwaltung in ihrer ablehnenden Vorlage die Vorschläge der Expertenkommission überhaupt nicht; geschweige denn setzt sie sich mit den Inhalten auseinander. 

Die Reform sieht im Krankenhausbereich künftig 3 Hauptversorgungsstufen vor: eine Grundversorgung in 2 Varianten, eine Regel- und Schwerpunktversorgung und eine Maximalversorgung (ebenfalls in 2 Varianten) Für die OSK bietet sich die Perspektive an, in RV ein Krankenhaus der Stufe III (Maximalversorgung), in Wangen ein Krankenhaus der Stufe II (Regel- und Schwerpunktversorgung) und in Bad Waldsee ein Krankenhaus der Stufe I (Regelversorgung) in einer der beiden möglichen Varianten einzurichten. 

Die für Bad Waldsee denkbare Variante I soll einen Krankenhaustyp gänzlich neuer Art darstellen soll. Dieser neuartige Typ soll eine starke ambulante und eine stationäre Komponente bekommen. In der Debatte darüber wird auch der Begriff „Krankenhaus-MVZ“ oder „MVZ-Krankenhaus“ genannt. Galt bisher die strikte Trennung Krankenhausfinanzierung, MVZ mit kassenärztlicher Finanzierung und PVZ (mit vollkommen ungesicherter Finanzierung), so soll die Reform eine gesicherte Finanzierung für den neuen Krankenhaustyp abgegeben, der die bisherigen Grenzen überwindet und die Versorgungsformen PVZ, MVZ und Krankenhaus zusammenführt. 

Es  bietet sich an, sorgfältig zu prüfen und zu überdenken, ob dieser neue Krankenhaustyp für Bad Waldsee in Frage kommt.

Als Ziel dieses neuen Typs wird ausdrücklich formuliert: „dass Patienten und Patientinnen sich darauf verlassen können sollen, dass sie überall, auch in ländlichen Regionen, schnell und gut versorgt werden und dass medizinische und nicht ökonomische Gründe ihre Behandlung bestimmen.

Ich erinnere: wir alle haben versprochen, uns in Bad Waldsee dafür einzusetzen, dass die eingetretenen Verschlechterungen abgemildert werden. Die bisherigen Überlegungen in Bad Waldsee ein MVZ und ein PVZ zu errichten können einmünden in die Vorstellungen und Vorschläge der Regierungskommission für ein neuen  Krankenhaustyp der Regelversorgung.

Wo sich solche Möglichkeiten auftun,  können wir doch nicht jetzt noch in Eile „stur“ den alten Beschluss umsetzen, dessen Grundlagen sich in fast allen Aspekten verändert haben. Wir wissen derzeit noch nicht detailliert und berechenbar, ob dies neue Modell für Bad Waldsee eine Lösung ist.

Es bietet sich aber eine Chance – und zwar eine realistische Chance zur Lösung der Probleme in Bad Waldsee. Deshalb fordern wir in dem Antrag die endgültige Entscheidung über die Schließung des Krankenhauses in Bad Waldsee bis 2026 zu verschieben. Bis dann wird sich konkretisiert haben, wie die Reform sich letztlich auswirken wird. 

Was nicht gehen wird ist, jetzt das Krankenhaus zu schließen und dann in einigen Jahren eine MVZ mit einigen stationären Betten (also ein Krankenhaus-MVZ) zu schaffen, die dann genau dem Level I. entsprechen. Zu wird leider definitiv zu sein. Als Referenzjahre sollen gerade die Jahre 2022/2023 dienen. Jetzt ist das richtige Zeitfenster da, die neuen Chancen zu nutzen.

Ich möchte mich besonders auch an die Kollegen der Grünen und der FDP wenden. Dies neue Konzept entspricht in weiten Teilen ausdrücklich den Forderungen ihrer Parteien in der Bundesregierung. Es geht also um die Umsetzung gerade auch ihrer Positionen der Gesundheitspolitik. Setzen sie bitte hier vor Ort das um, was sie in Berlin gerade Neues mitschaffe.    

Jeder, wie er auch am 31. Mai gestimmt hat, kann für diesen Beschluss stimmen. Auch der oder die, welche die grundlegenden Aspekte der  Medizinstrategie mitgetragen hat und vielleicht ein kleines Schuldgefühl gegenüber der Bevölkerung in Bad Waldsee hatte, kann dies jetzt wieder gut machen.

 Wir bitten sie im Interesse der rund 80 000 Menschen im Raum Bad Waldsee -  Aulendorf stimmen sie für diesen Antrag. Es ist für die Menschen von Nutzen, er ist für die Beschäftigten von Nutzen, er ist für die OSK von Nutzen – und es wird auch zum Nutzen ihrer Fraktionen sein.                        

 
 

Homepage SPD Kreisverband Ravensburg