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Die SPD sonnt sich im Glanz ihrer stillen Helden

Veröffentlicht am 27.05.2013 in Aus dem Parteileben

Prominente Gäste hatte der SPD-Kreisverband. (Foto: Anton Wassermann)

Bei einem Festakt im Kornhaus Weingarten beging der Kreisverband Ravensburg am 26. Mai 2013 das 150-jährige Parteijubiläum
WEINGARTEN Die politisch bestimmende Kraft sind die Sozialdemokraten im traditionell schwarzen Oberschwaben zwar nie gewesen. Aber dennoch hat der Kreisverband Ravensburg allen Grund, stolz zu sein auf seine Geschichte. Anlass zu einem selbstbewussten Rückblick bot ein Festakt m Kornhaus-Saal in Weingarten zum 150-jährigen Jubiläum der Partei. Gab es doch in ihren Reihen viele stille wortgewaltige Helden, die sich dem Zeitgeist der Unmenschlichkeit widersetzten.

Großer Mut

In seiner Begrüßung erinnerte Kreisvorsitzender Felix Rückgauer an die politischen Verfolgungen unter Reichskanzler Otto von Bismarck und zwischen 1933 und 1945. Auch im 1906 gegründeten Ortsverein Weingarten, so die Ortsvorsitzende Doris Spieß, haben Sozialdemokraten während der NS-Zeit großen Mut bewiesen. Einer, Joachim Brunner, starb für seine Überzeugung kurz vor Kriegsende im KZ Mauthausen. Ein anderer, Franz Benz aus Bad Waldsee, habe bei seinen Kurierdiensten in die Schweiz Kopf und Kragen riskiert.

Spieß spannte den Boden weiter bis in die Gegenwart und würdigte dabei besonders die Verdienste des langjährigen Stadtrats und Betriebsratsvorsitzenden Siegfried Börner, der in Chemnitz gegen die Zwangsvereinigung seiner Partei mit der KPD gekämpft hatte und dann in den Westen ging. Börners Hartnäckigkeit sei es zu verdanken gewesen, dass im Verwaltungsgebäude der ehemaligen Hefefabrik das „Haus am Mühlbach“ entstanden ist. Sozialdemokratische Frauen um Helga Bayha haben vor 30 Jahren mit dem „Kindernest“ die erste Kindertagesstätte im Landkreis gegründet. Doris Spieß erwähnte aber auch den unermüdlichen Einsatz von Maria Ballarin um den Erhalt historischer Bausubstanz in Ravensburg.

Solchem Engagement bekundete Oberbürgermeister Markus Ewald in seinem Grußwort großen Respekt und bedauerte es, dass immer weniger junge Menschen bereit seien, sich politisch zu engagieren. Die SPD habe Persönlichkeiten hervorgebracht, die auch in Weingarten mutig und entschlossen die Werte der Demokratie und Freiheit vertreten haben.

Ewald lobte den Beitrag des Ortsvereins für den Stadtentwicklungsplan, die Gründung einer Bürgerstiftung und eines Bildungsbeirats. „Wir haben uns als Mitgliederpartei in der Gesellschaft verortet“, stellte die stellvertretende Landesvorsitzende Hilde Mattheis fest. Nun gelte es, auch im Bund wieder politische Verantwortung zu erringen, um mehr soziale Gerechtigkeit zu erreichen. „Unsere Uhren ticken ähnlich und unser Herz schlägt links“, versicherte Fredi Alder aus Rorschach, der die Sektion Bodensee der Sozialistischen Internationale leitet. Sein Grußwort gipfelte in der Feststellung: „Die Würde des Menschen, nicht die Würde des Geldes ist unantastbar.“

Ehe der Bundestagskandidat Hannes Munzinger über seine Beweggründe für den Beitritt zur SPD sprach, durfte er dem Bad Waldseer Barden Barny Bitterwolf assistieren, als dieser politische Moritaten und Kampfgesänge aus den Jahren der 1848-er-Revolution und der Gründerzeit der SPD vortrug. Es erforderte einigen Mut, im Polizeistaat des Fürsten Metternich über die Mächtigen zu spotten.

Bedeutend mehr Mut brachten aber jene Menschen auf, die Professor Wolfgang Marcus in seinem Festvortrag würdigte. Der langjährige SPD-Stadtrat, der nach seiner Pensionierung in seine alte Heimat Sachsen zurückkehrte, um den demokratischen Aufbau voranzutreiben, hat eine neue Lebensaufgabe darin gefunden, jenen Menschen wieder Gesicht und Namen zu geben, die in unserer Region entweder wehrlose Opfer der NS-Herrschaft geworden waren oder ihren Einsatz für Menschlichkeit und Demokratie mit gesellschaftlicher Ächtung oder gar dem Leben bezahlt haben. Marcus berichtete über die Gedenkorte, die Oberschwaben wie ein Netz überziehen.

Es gelte auch in Zukunft wachsam zu bleiben; denn der nationalistische Ungeist habe sich nicht nur in Gestalt einer politischen Fraktion im sächsischen Landtag eingenistet, sondern zeige meist in versteckter Form auch in unserer Region immer wieder seine hässliche Fratze.

(Autor Anton Wassermann, erschienen Schwäbische Zeitung: 26.05.2013)