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Bad Waldsee soll bei B 30 Erleichterung für Anwohner suchen

Veröffentlicht am 01.08.2015 in Gemeinderatsfraktion

Vertreter der Gemeinderatsfraktionen beziehen Stellung auch zur Unterbringung von Flüchtlingen und zum Einzelhandelskonzept

Gespräch mit Vertretern der vier im Bad Waldseer Gemeinderat vertretenen Fraktion:

Matthias Haag (CDU), Bernhard Schultes (FW), Dominik Souard (GAL) und Rita König (SPD) sprechen über aktuelle Themen in Bad Waldsee:

Der Zustrom an Flüchtlingen hat zugenommen. Tut Bad Waldsee genug?

Dominik Souard: Ich habe den Eindruck, dass wir etwas spät gestartet sind. Bad Waldsee tut ausreichend etwas dafür, das Thema mitzugestalten. Es gibt viele Privatinitiativen und Helferkreise. Das ist schon toll. In der Fraktion spricht man darüber: Was kann man noch tun? Vielleicht könnten Flüchtlinge in den privaten Kurpensionen unterkommen, wenn diese von der Stadt angekauft werden. Das ist natürlich ein heißes Eisen und es gibt ganz unterschiedliche Meinungen dazu innerhalb der Fraktion.

Bernhard Schultes: Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir noch mehr tun müssen. Ich glaube, dass wir die Ausmaße nicht abschätzen können, gerade aus meiner Kreistagsbrille betrachtet. Was Unterkünfte angeht, werden gerade sämtliche Tabubrüche vollzogen. Von der Brisanz wird Waldsee nicht verschont bleiben. Die Wohnanlage in der Steinstraße ist ein richtiges Vorgehen, aber selbst bis die steht, werden wir weitere Unterkünfte brauchen. Bei der Erstunterbringung fehlen uns noch mehr als 100 weitere Plätze. Es gibt Grundstücke, die man untersucht, etwa für Container. Der emotionale Aufruf vom Landrat an Privatleute, Wohnraum zur Verfügung zu stellen, war richtig und sollte hier in Bad Waldsee ebenfalls erfolgen.

Matthias Haag: Was es dringend braucht, ist finanzielle Unterstützung seitens des Landes und des Bundes – vielleicht die 900 Millionen freie Gelder aus dem Betreuungsgeld. Es ist mir ein Rätsel, wie man für Erstunterbringung noch 100 weiter Menschen unterbringen soll. So schlimm das ist, es wird nur mit Containern möglich sein. Aber man muss auch an Zelte denken. Man kann die Leute nicht allein lassen, aber auch niemand zwingen, Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

Rita König: Genug ist nie genug in dem Fall. Das sind Herausforderungen für die Zukunft und dynamische Prozesse, die wir nicht abschätzen können. Es steht etlicher Wohnraum leer, also Wohnraum fehlt nicht, nur: Wer traut sich, zu sagen, ich nehme jemanden auf? Es gibt ein super Beispiel von Ratskollege Roland Schmidinger, Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Aber schwieriger ist es, Flüchtlinge im eigenen Haus aufzunehmen.

Wie erleben Sie die Stimmung zu dazu in der Bürgerschaft?

Souard: Eine große Solidarität ist da und auch Engagement. Gleichzeitig merke ich Befindlichkeiten und Ängste. Es ärgert mich, dass man die Anwohner nahe des geplanten Baus in der Steinstraße nicht vorab vonseiten der Verwaltung informiert hat. Das war ein Versäumnis. Wir hatten die Idee einer Veranstaltung, um besorgten Bürgern ein Gespräch anzubieten. Davon sind wir abgekommen, weil es Forum auch für fremdenfeindliche Äußerungen genutzt werden könnte.

Schultes: Die Solidarität, die wir haben, müssen wir unterstützen. Die Helferkreise machen das alles ehrenamtlich. Es braucht jemanden, der die Fäden in der Hand hält. Die Stimmung im Moment ist sehr gut. Und dass es auch längere Zeit gut gehen kann, sieht man in Haisterkirch.

Haag: Es braucht immer wieder Gespräche mit den Anwohnern der Steinstraße. Das war teilweise erschreckend, was ich in der Sitzung zum Neubau von ihnen gehört habe. Man muss die Ängste ernst nehmen. Ich hoffe, dass die Stimmung so wie in Reute beim Willkommensabend bleibt und dass sie nicht kippt. Gerade deshalb ist es so schade, dass die Polizei bei uns Rückzug antritt. Nicht wegen der Asylbewerber, sondern wegen des Sicherheitsbedürfnisses der Bürger.

König: Vielleicht wurden die Anwohner nicht genügend mitgenommen, aber wer weiß, ob dadurch nicht noch mehr mobilisiert worden wären. Die Euphorie des Anfangs toll, ich war in Reute und habe viele Kollegen aus dem Rat vermisst. Es ist mir bewusst geworden, wie wichtig es ist, mit den Menschen an einem Tisch zu sitzen. Persönlicher Kontakt ist wichtig. Wir müssen schauen, dass wir diese Botschaft transportieren, wo wir gehen und stehen.

Sie haben im Gemeinderat den Sondergebietscharakter des Kurgebiets bestätigt. Wohnbebauung ist hier weiter nicht möglich. Dagegen regt sich Widerstand unter den Pensionsbetreibern. Wie soll es hier weitergehen?

Schultes: Die richtige Entscheidung war es schon. Es war wichtig zu fragen: Welche Bedeutung hat das Sondergebiet für die gesamte Stadt? Man muss zwei Mal überlegen, ob man das ändern will. Doch jetzt geht es darum, Gas zu geben: Statt eines Masterplans hätte ein „Masterplänle“ gereicht. Es ist auch nicht so, dass die heutigen Besitzer nicht mitgestalten könnten. Es kann in der Konzeption durchaus herauskommen, dass Teile des Gebiets zu Wohnen umgewidmet werden können.

Haag: Ich habe mich schon in der Sitzung gegen den Begriff Masterplan gewehrt, der ist zu hoch gegriffen. Aber eine grundsätzliche Planung von Fachmann ist wichtig, denn es ist das einzige Gebiet in Waldsee, wo vorübergehendes Wohnen untergebracht werden kann. Vielleicht kommt ja raus, das Gebiet in Teilen freizugeben. Zudem hätten die Eigentümer schon vorher etwas über einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan auf den Weg bringen können.

König: Wir alle im Gemeinderat sind uns einig, Waldsee als Gesundheitsstadt vorantreiben. Solche Dinge darf man nicht aushebeln. Klar ist es nachvollziehbar, dass die Betreiber ihre Grundstücke bei den derzeitigen Preisen an den Mann bringen wollen. Aber der Masterplan sollte gemacht werden. Das Problem dabei ist: das dauert! Mein Wunsch an die Stadt wäre, dass sie flexibel und offen damit umgeht, wenn konkrete Konzepte vorgelegt werden.

Souard: Unserer Fraktion ist die Bedeutung des Sondergebiets für die Stadt bewusst. Es gibt auch eine breite Meinung, da keine Ausnahme zu machen. Andere in der Fraktion denken, das hätte man doch schneller haben können. Dass jetzt erst wieder mit externem Knowhow die Zukunft bestimmt werden kann, ist etwas bedauerlich. Die Situation ist ein Trauerspiel vor Ort. Das dauert. Wichtig, dass die Betreiber am Entstehen des Gutachtens beteiligt werden.

Die Firma Imakomm Akademie hat den Entwurf des Einzelhandelskonzept vorgelegt. Was sehen Sie darin als wichtigste Punkte, die baldmöglichst umgesetzt werden müssen?

Haag: Das Ist ein komplexes Thema mit einer Masse an Inhalten, über die wir uns in der Fraktion noch nicht unterhalten haben. Nur ein Beispiel ist, mit Plakaten im Ballenmoos auf die Geschäfte der Innenstadt hinzuweisen. Ich habe nicht ganz verstanden, warum nach der Veröffentlichung so heftige Reaktionen kamen, etwa von Oliver Hofmann von der Bad Waldsee Card. Ist nur ein Entwurf, keine Festlegung. Mit Blick darauf sollte man verstehen können, dass es erstmal noch keinen Bio-Supermarkt im Ballenmoos gibt. Die Investoren haben sicher Verständnis, wenn wir das noch im Laufe des Jahres verabschieden.

König: Ich halte das Konzept noch immer für eine Verschwendung von Steuergeldern. Es gibt ein 100-seitiges Papier von vor 16 Jahren. Es hätte gereicht, das fortzuschreiben. Da stand schon drin, dass es einen Kümmerer braucht, bessere Öffnungszeiten, und auch ein Frequenzbringer war damals schon Thema.

Schultes: Der Frequenzbringer steht diesmal aber nicht drin.

König: Noch schlimmer. Ein Bio-Markt könnte ein Frequenzbringer in der Innenstadt sein, etwa auf dem Gaissmaier-Areal. Was mich auch überrascht hat: Konzept bezieht noch nicht mal den Citybus mit ein. So wie die Reihe „Wirtschaft im Gespräch“ hätte man „Einzelhandel im Gespräch“ machen können und das alte Konzept fortentwickeln können.

Souard: Das ist kein grünes Thema. Das ist mein Thema als Einzelhändler. Die Bedeutung des Konzepts für Einzelhändler, auch in Bezug auf die Verwaltung, hat schon eine große Bedeutung für die nächsten Jahre: Strukturen verändern sich, ein Standortbeauftragter und Wirtschaftsförderung sind wichtig. Es ist gut, sich bewusst Zeit zu nehmen, um den Entwurf anzuschauen – nicht nur der Gemeinderat, sondern alle am Prozess Beteiligte.

Schultes: Es war wichtig, nach so langer Zeit eine Aktualisierung vorzunehmen. Das hat nichts mit einer Fortschreibung, sondern mit neuen Erkenntnissen zu tun. Jetzt werden viele eingebunden, der Wurm soll ja dem Fisch schmecken. In den Projektgruppen war die Beteiligung der Innenstadthändler schmal, das muss jetzt nachgeholt werden in der Anhörungsphase. Ich sehe eher Positives, das eingesetzte Geld ist für die nächsten 15, 20 Jahre gut angelegt.

Die Stadtwerke haben einen neuen Geschäftsführer, eine Assistentin wird gesucht. Geht es hier voran?

König: Man braucht einen langen Atem, denn wir investieren Millionen, ohne zu wissen, was dabei rauskommt. Zumindest gibt es bei den Windkraft-Messungen einen Anfang, die haben zudem eher bessere Werte geliefert als erwartet. Für mich ist das weiterhin relativ unduchsichtig, aber man muss einen Vertrauensvorschuss geben.

Souard: Der Aufsichtsrat arbeitet schon seit Jahren sehr dynamisch am Thema. Es gibt eine unglaubliche Fülle an Detailfragen zu klären, das braucht viel Ausdauer, aber es lohnt sich. Es gibt schon viele positive Signale, etwa das Gemeinschaftsprojekt in Sachen Windenergieprojekt, oder die Förderung in Höhe von drei Millionen Euro. Jetzt muss man auch die Öffentlichkeitsarbeit optimieren.

Schultes: Die fünf Millionen Euro zur Gründung sind gut angelegt, um eine autarke Energieversorgung zu gewährleisten. Dafür, dass wir drei Millionen an Fördergeldern geholt haben, beneiden uns viele. Unser Zeitplan steht nach wie vor. Dass man nicht so viel in der Öffentlichkeit preisgibt, liegt auch an der Konkurrenzsituation – irgendwann werden wir mit den Stadtwerken am Markt sein. Ich glaube, dass der Geschäftsführer eine gute Wahl ist, er bringt große Geothermie-Erfahrung mit.

Haag: Ich verstehe die Ungeduld bei manchen Bürgern. Aber man muss das vergleichen mit anderen Unternehmen. Die erzählen auch nicht, was gerade im Aufsichtsrat besprochen wird. Man kann eben nicht so transparent sein, wie man eigentlich sein will. Da bitte ich um deutlich mehr Geduld. Dass wir diesen Zuschuss gewonnen haben, liegt sicher nicht daran, weil nichts passiert ist bisher. Der neue Geschäftsführer ist hochkompetent.

Der Bahnhof ist längst versteigert, doch noch ist nichts passiert. Wie sollte sich die Stadt bei dem Umbau-Projekt einbringen und welche künftige Nutzung sehen Sie?

Souard: Es sind private Investoren, wir haben den Bahnhof ins Sanierungsprogramm „Altstadt III“ aufgenommen, um ein bisschen positiv steuernd eingreifen zu können. Wenn man die Besitzer kennt, weiß man, es wird sicher ein sehr schönes Projekt. Aber wir müssen auch aufpassen, dass nicht Aufgaben bei der Stadt landen, die die Bahn machen sollte.

Schultes: Wir freuen uns, dass genau diese Investoren unseren Bahnhof gefunden haben. Ich finde es gut, dass Christian Skrodzky auf die Stadt zugeht und an einer größeren Lösung interessiert ist. Im Moment läuft wohl das Entwidmungsverfahren mit der Bahn. Gut ist auch, dass wir als Stadt das angrenzende Gelände kaufen konnten. Es geht ja nicht nur um die Renovierung des Gebäudes mit einem Café unten drin. Ich stelle mir natürlich vor, dass es eine Mobilitätsdrehscheibe wird, mit Carsharing-Plätzen, einer Elektro-Tankstelle, Pedelecs zum Ausleihen, besseren Bushalteplätzen.

Haag: Auch ich bin gottfroh, dass die Investoren uns gefunden haben. Dass es noch nicht vorwärts geht, liegt diesmal nicht an der Stadt, sondern an der Bahn. Ich wünsche mir, dass die Vorstellungen, die Herr Skrodzky uns präsentiert hat, baldmöglichst umgesetzt werden.

König: Wir haben uns von Anfang an gewünscht, dass ein privater Investor den Bahnhof kauft. Dass ein leidenschaftlicher und erfahrener Bahnhofsanierer den Zuschlag erhalten hat, ist für Bad Waldsee ein Glücksfall. Laut Skrodzky baut ein Privater in der Regel bedeutend kostengünstiger als eine Kommune. Dass es mit der Umsetzung dauert, hängt wohl mit der Deutschen Bahn und den Plänen für das Sanierungsgebiet „Altstadt III“ zusammen.

Dauerbrenner B 30: Wann kommt eine Entlastung für die Anwohner von Gaisbeuren und Enzisreute?

König: Die Unfälle der jüngsten Zeit zeigen was los ist auf der B 30. Vielleicht sollte man einen Kreisverkehr am Zugang zum Gewerbegebiet Gaisbeuren andenken, um kurzfristig etwas zu verbessern, oder eine Brücke für Fußgänger.

Souard: Ihre Frage stelle ich mir auch. Der Verkehrsknotenpunkt ist nicht so dramatisch, das er in der Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans in den vordringlichen Bedarf kommen wird. Ideen für kurzfristige Maßnahmen liegen auf dem Tisch. Gerade drängt die Zeit, aber es passiert nichts. Der B 30-Ausschuss hat schon lange nicht mehr getagt.

Schultes: Es ist eine ganz bescheidene Situation. Es ist eigentlich nicht zielführend, solche Maßnahmen anzudenken, weil dann der Druck im Kessel weniger wird. Schön wäre, wenn sich Land und Bund einig wären, wie es weitergehen soll. Es gibt Unfälle, Belastungen für Anwohner: Die übergeordnete Planung ist schief gelaufen. Ich habe kein gutes Gefühl beim Bundesverkehrswegeplan. Deshalb muss man jetzt überlegen, etwas für die Anwohner zu tun.

Haag: Noch bin ich nicht von aller Hoffnung verlassen, dass die Prioritätenliste, die die Landesregierung nach Berlin übermittelt hat, dort nochmal komplett umgeworfen wird. Bis zum Frühjahr steht der Bundesverkehrswegeplan. Dann sollte kurzfristig etwas passieren, vielleicht ein Kreisverkehr. Doch der wäre im Moment kontaproduktiv.

Der Citybus hat sich noch immer nicht etabliert, trotz aller Verbesserungen in der Taktung. Weiter abwarten oder etwas ändern?

Souard: Es ist viel Geld, aber an der richtigen Stelle. Da muss man noch aktiver werden, mit dem Einzelhandel zusammenarbeiten und auf Unternehmen zugehen. Vom Grundgedanken stehen wir absolut hinter dem Citybus-Konzept.

Schultes: Wir sind uns auch einig, dass der Citybus wichtig ist. Auch zum Abmangel stehen wir. Aber mittlerweile bin ich der Meinung, dass man schauen muss, ob das Konzept stimmt, oder ob man es eher bedarfsorientiert umgestalten muss und der Bus nur dann fährt, wenn er gebraucht wird. Ich plädiere dafür, sich konzeptionell nochmal Gedanken zu machen und die Zahlen genau anzuschauen. Die Vernetzung den Unternehmen in den Gewerbegebieten wäre ganz wichtig, da fahren die meisten mit dem Auto.

Haag: Der Citybus ist ein Angebot nicht nur an diejenigen, die zur Arbeitsstelle fahren, sondern auch an die immer älter werdende Bevölkerung. Es einzuschränken oder abzuschaffen wäre völlig falsch. Ob man das mit dem jetzigen Fahrplan macht, da bin ich völlig offen für eine Diskussion.

König: Ich krieg einen Hals, wenn ich die Busse leer fahren sehe. Die Größe passt nicht zu unserer Stadt, in anderen Städten fahren viel kleinere und können auch Menschen im Rollstuhl und Rollatoren aufnehmen. Ich würde mal Anti-Werbung machen, vielleicht sagen: Ein Jahr fährt der Citybus gar nicht mehr. Vielleicht macht das den Menschen bewusst, was das für ein Luxusangebot ist. Ich bin für den Citybus, weiß aber nicht, wie man noch mehr darauf hinweisen könnte.